Für viele Kindertransportkinder aus Deutschland sind die Villa Johanna in Middelkerke und die Heime Herbert Speyer und Général Bernheim in Brüssel die erste Unterkunft, in der sie Aufnahme finden. Die Ferienkolonie Villa Johanna in Middelkerke, einem Urlaubsort an der Nordsee, entsteht im Jahr 1901 auf Initiative von Leopold und Johanna Hirsch aus Brüssel. Dort verbringen Kinder aus armen jüdischen Familien die Ferienzeit.
Vom 20. Dezember 1938 bis zum 20. Februar 1939 mietet das Comité d‘Assistance aux Enfants Juifs Réfugiés (CAEJR) die Villa für Kindertransportkinder aus Deutschland. Zu den ersten Gästen gehören die Kinder des Waisenhauses aus Dinslaken. Sie werden nach dem Erholungsaufenthalt in Middelkerke bei Verwandten oder ab Februar 1939 in den eigens für Kindertransportkinder gegründeten Heimen Herbert Speyer und Général Bernheim untergebracht.
Das Heim Herbert Speyer befindet sich in einem Gebäude im Brüsseler Stadtteil Anderlecht. In dem Haus kommen ausschließlich Jungen unter. Es ist im Besitz der Organisation Foyer des Orphelins, die sich seit dem Ersten Weltkrieg um belgische Waisen kümmert. Die Organisation stellt dem CAEJR nicht nur das Gebäude, sondern auch Personal zur Verfügung. Heimleiter ist Gaspard Dewaay. Die Kinder werden nicht im Haus unterrichtet, sondern besuchen die umliegenden Schulen in Anderlecht.
Der Namensgeber Herbert Speyer ist ein bekannter Jurist, langjähriges Mitglied des Foyer des Orphelins und Gründungsmitglied des Comité d’Aide et d’Assistance aux Victimes de l’Antisémitisme en Allemagne (CAAVAA).
Das Heim Général Bernheim befindet sich in Zuen bei Brüssel. Es ist vom CAEJR gegründet worden und wird von ihm unterhalten. Heimleiterin ist Elka Frank. Wie die Jungen in Anderlecht besuchen auch die Mädchen die umliegenden Schulen. Einige Mädchen ziehen von dort zu Verwandten oder finden Aufnahme in Pflegefamilien. Für andere ist Belgien ein Transitland, und sie reisen bald weiter. Der Namensgeber Louis Bernheim war ein hochdekorierter Befehlshaber der belgischen Armee im Ersten Weltkrieg.
Bis zum Mai 1940 leben 87 deutsche und österreichische Jungen im Heim Herbert Speyer. 15 von ihnen sind mit dem Transport der Kinder aus dem Waisenhaus Dinslaken nach Belgien gekommen. Im Heim Général Bernheim sind etwa 40 Mädchen untergebracht.
Nach dem Einmarsch der Deutschen entschließen sich die Heimleitungen, gemeinsam die Flucht nach Südfrankreich anzutreten. Sie endet nach mehreren Tagen in der Gemeinde Seyre in der Haute-Garonne. AP