Das Israelitische Waisenhaus in Dinslaken existierte von seiner Gründung 1885 bis zur Zerstörung des Hauses und der Vertreibung seiner Bewohner während des Novemberpogroms 1938.
Die Idee von Dr. Leopold Wormser, in der niederrheinischen Kleinstadt ein Waisenhaus zu errichten, wird von der jüdischen Gemeinde vor Ort sehr unterstützt. 1886 leben bereits vierzehn Waisen in Dinslaken. 1913 verlässt Dr. Wormser aus Altersgründen das Haus, sein Nachfolger wird Dr. Leopold Rothschild.
Die Kinder des Waisenhauses besuchen die Jüdische Volksschule in Dinslaken, die sich nur wenige Gehminuten vom Haus entfernt befindet. Den Jugendlichen vermittelt das Haus nach Beendigung der Schulzeit eine Ausbildung. Wenige Zöglinge besuchen die „Höhere Knaben- oder Mädchenschule“.
1935 blickt das Haus auf eine fünfzigjährige Geschichte zurück. In der Jubiläumsschrift wird berichtet, dass in fünfzig Jahren insgesamt 320 Kinder Aufnahme fanden.
Seit 1935 bemüht sich Leopold Rothschild, das Israelitische Waisenhaus Dinslaken nach Palästina zu überführen.
Im Oktober 1938 fährt er nach Palästina, wo drei seiner erwachsenen Kinder leben. Er bittet seine Tochter Miriam, die eine Ausbildung zur Erzieherin in Berlin absolviert, für die Zeit seiner Abwesenheit im Dinslakener Waisenhaus zu wohnen. Sie unterstützt Yitzak Sophonie Herz, der im März 1938 eine Erzieherstelle im Waisenhaus angetreten hat.
Am frühen Morgen des 10. November 1938 wird das Waisenhaus von Nationalsozialisten überfallen, die Kinder werden von ihnen aus dem Haus getrieben. Sie kommen gegen Abend zunächst in der Jüdischen Volksschule unter, später in einer Gaststätte. Wichtige Gegenstände, Dokumente und Geld werden vernichtet und gestohlen.
Mit Absprache der Kölner Synagogen-Gemeinde werden die Kinder am 17. November 1938 nach Köln gebracht.
Am 20. Dezember 1938 können 42 Kinder und Jugendliche mit dem „Transport der Kinder aus dem Waisenhaus Dinslaken“ Deutschland in Richtung Belgien verlassen. Weitere Bewohner des Waisenhauses erreichen, ebenfalls organisiert, die Niederlande.
Von den 42 nach Belgien geflüchteten Kindern und Jugendlichen überleben 26. Elf Kinder und Jugendliche werden von Mechelen, Westerbork und Drancy in die Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek deportiert, ein Jugendlicher kehrt aus Auschwitz zurück. Ein Junge wird in Frankreich getötet. Fünf Kinder kehren 1940 nach Deutschland zurück, sie werden deportiert und ermordet. AP