Das Antwerpener Komitee Voor Het Joodsche Kind van Duitschland gründet sich im November 1938 wie das Brüsseler CAEJR aus einer bereits bestehenden Hilfsorganisation: dem Œuvre du Grand Air et de la Protection de l’Enfance.
Diese Organisation wiederum untersteht der Centrale, dem Dachverband jüdischer Hilfsorganisationen in Antwerpen. Zur Centrale gehören unter anderem auch das Antwerp Joods Weeshuis (Jüdisches Waisenhaus Antwerpen) und die Villa Altol, eine Ferieneinrichtung für jüdische Kinder.
Leiter von Voor Het Joodsche Kind van Duitschland wird David Siwa, seine Stellvertreterin ist die aus Deutschland stammende Jenny Fink. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Die Organisation hat ihren Sitz in der Lange Leemstraat 155, in den Räumen der Centrale. Wie das Brüsseler Comité d‘Assistance aux Enfants Juifs Réfugiés (CAEJR) sorgt auch die Antwerpener Organisation für die Einreise und Unterbringung der Kinder. Letztere beschränkt sich jedoch auf den Antwerpener Raum.
Ein erster Kindertransport erreicht Antwerpen bereits am 24. November 1938. Die Kinder werden in Brüssel von Helferinnen aus Antwerpen in Empfang genommen und nach Antwerpen gebracht. Dort werden sie von Jenny Fink begrüßt und in der Avenue Margrave 45 untergebracht oder ihren Pflegefamilien übergeben.
Im Dezember 1938 veröffentlicht Voor Het Joodsche Kind van Duitschland in der Zeitschrift La Centrale, dem Verbandsorgan ihrer Dachorganisation, einen Appell an die Antwerpener jüdische Bevölkerung. Die Organisatoren der Kindertransporte aus Deutschland bitten darin die „Juden von Antwerpen“ mit eindringlichen Worten um Unterstützung. Sie unterrichten die Leserinnen und Leser darüber, dass ein Kindertransport bereits angekommen sei und weitere in Vorbereitung seien. Auf diese Weise werden Pflegeeltern für die Kinder gesucht oder zumindest Personen, die bereit sind, den Aufenthalt eines Kindes zu bezahlen. Auch das Antwerp Joods Weeshuis in der Lange Leemstraat 133 bietet an, zwei Heimplätze für Jungen bereitzustellen.
Rettet das jüdische Kind!
Juden von Antwerpen!
Die Regierung hat uns die Erlaubnis erteilt, eine Reihe von Kindern, die von Moral und materieller Zerstörung bedroht sind, aus Deutschland zu retten. Ein erster Transport ist bereits angekommen und wurde platziert. Weitere Transporte sind in Vorbereitung. Stellt sicher, dass diese Kinder nicht einen Tag länger als nötig auf die Rettung in Deutschland warten müssen und dass so viele Kinder wie möglich kommen können. Melden Sie sich an, um ein Kind aufzunehmen!
Wenn Sie dazu keine Gelegenheit haben, tragen Sie die Kosten für die Unterstützung eines Kindes. Warten Sie nicht, sondern tun Sie es noch heute!
© La Centrale, Ausgabe Nr. 12 Dezember 1938
Insgesamt organisiert die Antwerpener Organisation sieben Kindertransporte aus Deutschland und dem „angeschlossenen“ Österreich – genauso viele wie das CAEJR. Nach dem Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940 lösen sich die bestehenden Hilfsstrukturen für deutsche Flüchtlinge auch in Antwerpen auf. Manche Mitglieder der Organisation Voor Het Joodsche Kind van Duitschland können Belgien verlassen oder überleben im Versteck. Andere werden Opfer der Schoa. Bekannt ist das Engagement von Dr. Anne Rosenzweig im Comité de Défense des Juifs (Jüdisches Verteidigungskomitee) während der deutschen Besatzung. AP