Überleben im Versteck in katholischen Einrichtungen

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Die belgische Gesellschaft ist in den 1930er Jahren erheblich vom Katholizismus geprägt: Es gibt ein großes Netzwerk von katholischen Primar- und weiterführenden Schulen sowie Universitäten. Auch das belgische Wohlfahrtswesen ist fast ausschließlich konfessionell organisiert, das heißt vor allem katholisch.

Während der deutschen Besatzung seit Mai 1940 steigt der enorme Einfluss der katholischen Kirche auf die Bevölkerung sogar noch an, da die Menschen von dieser Führung und Leitung für das Leben unter der Besatzung erwarten.

Bereits im Jahr 1938 hatte der Erzbischof von Mechelen, Kardinal van Roey, verkündet, dass die nationalsozialistische Ideologie nicht mit den katholischen Werten vereinbar ist. Derselbe Bischof erkennt jedoch bald nach der Kapitulation der belgischen Armee die deutsche Militärverwaltung als Autorität an, allerdings nur, solange diese die katholische Kirche nicht in Frage stellt. Gleichzeitig verurteilt er die Kollaboration mit den Deutschen und protestiert immer wieder bei der Militärverwaltung gegen die Behandlung der jüdischen Bevölkerung. Der Militärverwaltung ist der Einfluss der katholischen Kirche wohl bewusst, und sie ist um ein gutes Verhältnis zu ihr bemüht.

Als ein Drittel der jüdischen Bevölkerung Belgiens zwischen Juli und September 1942 deportiert und ermordet wird, interveniert die katholische Kirche nicht öffentlich. Es werden lediglich einzelne Protestbriefe an die Militärverwaltung geschrieben. Dass etwa die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Belgiens die deutsche Besatzung überlebt, liegt am Mut Einzelner, die Männer, Frauen, aber vor allem Kinder vor den deutschen Verfolgern verstecken. Unter ihnen sind viele katholische Laien und Geistliche, die unter hohem persönlichen Risiko helfen. Eine Nachkriegsuntersuchung kommt zu dem Schluss, dass jeder fünfte Priester in Belgien an Rettungsaktionen beteiligt war.

Bischof Kerkhofs von Lüttich ist der einzige Bischof, der sich direkt um die Rettung jüdischer Männer, Frauen und Kinder bemüht, als er vom jüdischen Widerstand darum gebeten wird. So werden zum Beispiel jüdische Kinder in kirchlichen Sommerferienlagern anonym aufgenommen. Andere Bischöfe sind mehr oder weniger direkt in die Rettungsaktivitäten der Priester, Nonnen und Mönche in ihren Diözesen eingeweiht, von denen viele mit dem Comité de Défense des Juifs zusammenarbeiten.

Als Gesamtorganisation protestiert die katholische Kirche Belgiens nie öffentlich und nie lautstark gegen die Verfolgung, Deportation und Ermordung der Jüdinnen und Juden. Doch die Wohlfahrtseinrichtungen, Heime für Kinder, Kranke und Alte sowie das Schul- und Internatssystem in Klöstern bieten den vielen katholischen Laien und Würdenträgern, die jüdische Männer, Frauen und vor allem Kinder retten, den institutionellen Rahmen, der die Hilfe ermöglicht. ÄW